Bald sind Kommunalwahlen. Auch in diesem Jahr wird Coach e.V. mit verschiedenen Aktionen Kölner*innen informieren und zum Wählen animieren. Heute teilen wir einen Beitrag von den Kommunalwahlen 2014 mit euch – als Inspiration und Motivation, um gemeinsam mit jungen Menschen politische Themen zu entdecken und politische Mitbestimmungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Das Projekt „Wir reden mit!“ wurde über das Programm „Werkstatt Vielfalt – Projekte für eine lebendige Nachbarschaft“ der Robert Bosch Stiftung, durchgeführt von der Stiftung Mitarbeit, gefördert. Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Stiftung Mitarbeit.

Das Projekt „Wir reden mit!“ richtete sich an etwa 20 Jugendliche mit Migrationshintergrund (ab 15 Jahre), die von Coach e.V. begleitet wurden. Sie trafen sich regelmäßig, um sich anlässlich der Kommunalwahlen in NRW mit eigenen politischen Partizipationsmöglichkeiten auseinander zu setzen. In ihren Treffen bereiteten sie die geplanten Begegnungen mit politisch engagierten Personen zu unterschiedlichen Themen vor wie zum Beispiel: parlamentarische Entscheidungsprozesse am Beispiel eines jugendrelevanten Themas oder aktuelle politische Entwicklungen und ihre Verortung als Wahlkampfthema. Fachlich begleitet von Honorarkräften trainierten sie ihr Kommunikationsverhalten und ihre Selbstpräsentation. Sie erarbeiteten Fragen für die einzuladenden bzw. aufzusuchenden Personen. Das Vorhaben förderte die Begegnung mit politisch Aktiven und die eigenständige (gesellschafts)politische Partizipation der Jugendlichen als konkrete Möglichkeit, Einfluss auf politische Prozesse zu nehmen.

Als Migrantenselbstorganisation und außerschulische Bildungseinrichtung verfolgt Coach e.V. einen präventiven Ansatz, um sozialen Ausgrenzungsprozessen von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte durch Bildungsarbeit entgegenzuwirken. Die Kommunalwahl 2014 in Köln gab den Anlass, mit Jugendlichen, die erstmals wahlberechtigt waren, ihre Partizipationsmöglichkeiten zu thematisieren und sie mit Personen aus der Politik in einen Austausch zu bringen.

Wöchentliche Treffen

An den Treffen des sechsmonatigen Projekts partizipierten regelmäßig etwa zwanzig Teilnehmer/innen im Alter von 15 bis 18 Jahren. Jugendliche im Alter von 15 Jahren wurden nicht zuletzt deshalb eingebunden, da sie ebenfalls Interesse am Projekt bekundeten und die »U 16-Wahl« des Kölner Jugendrings ihnen die symbolische Stimmabgabe bei der Kommunalwahl ermöglichte. Zu Beginn der Projektarbeit wurde deutlich, dass bei den beteiligten Jugendlichen zunächst wenig Interesse an der bevorstehenden Wahl oder generell an politischen Prozessen in Deutschland bestand. Der Hauptgrund hierfür lag darin, dass sie sich innerhalb des politischen Geschehens nicht hinreichend repräsentiert fühlten. Es konnte jedoch nicht behauptet werden, die Jugendlichen seien politikverdrossen. Im Gegenteil: Sie verfolgten politische Entwicklungen im Ausland sehr aufmerksam. So waren beispielsweise die Proteste rund um den Gezi-Park in der Türkei und der Konflikt in Syrien allgegenwärtige Themen.

In den ersten Treffen behandelte die angeleitete Gruppe in thematischen Einheiten zunächst allgemeine Informationen zu Demokratie, politischen Entscheidungsprozessen, der Parteienlandschaft sowie zu kommunalpolitischen Aufgaben. Zur Veranschaulichung wurde mit der Gruppe unter anderem ein Planspiel durchgeführt, das auf einem aktuellen kommunalen Entscheidungsprozess in Köln basierte: die Nutzung des Heliosgeländes. Die Teilnehmer/innen wurden in Gruppen aufgeteilt und nahmen jeweils die Position einer Partei aus dem Kölner Stadtrat ein, aus der heraus sie über Nutzungsmöglichkeiten debattierten.

Dann wurden potentielle Gäste für die Begegnungstreffen gesucht und eingeladen. Vorgesehen war, dass Politiker und gesellschaftspolitisch engagierte Personen eingeladen werden, um den Teilnehmer/innen von den vielfältigen Möglichkeiten zu berichten, sich politisch einzubringen. Aus den Einladungen resultierten zunächst vier Zusagen von Kommunal- und Landespolitiker/innen. Da die Kommunalwahl zeitgleich mit der Wahl des Europäischen Parlaments verlief, wurde in diesem Zusammenhang auch Tine Hordum (SPD) als Kölner Kandidatin für die Europawahl eingeladen. Darüber hinaus konnte ein Treffen mit Guntram Schneider, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales für das Land NRW außerhalb des Projektzeitraumes nachgeholt werden.

Die Treffen

Als Kommunal- und Landespolitiker (Bündnis 90/Die Grünen) sowie als Leiter des Kölner Gesundheitszentrums für Migranten ist Arif Ünal seit mehr als 30 Jahren vor Ort aktiv. Auch er berichtete den Jugendlichen zunächst über seinen persönlichen Werdegang und die Umstände, die ihn von der Türkei nach Deutschland und hier schließlich in die Politik führten. Insofern stellte auch Ünal aufgrund seiner Migrationsbiographie eine Identifikationsebene für viele der Jugendlichen her, bot jedoch zugleich eine Alternative zur konservativen Haltung von Haluk Yildiz. Aus Sicht der Jugendlichen war besonders interessant, dass Ünal im Nordrhein-Westfälischen Landtag einen Änderungsantrag durchsetzen wollte, der die Eidesformel »auf das Wohl des deutschen Volkes« zu »auf das Wohl aller Menschen in NRW« ändern wollte, wofür er sogar anonyme Drohungen erhielt. Im Nachbereitungstreffen wurde sein Besuch von einigen Jugendlichen als sehr positiv bewertet, andere bemängelten jedoch, dass die Ausdrucksweise für sie schwer verständlich gewesen sei – etwa Begriffe wie »Ressortpolitik«.

Als Kandidatin für das Europaparlament erweiterte der Besuch von Tine Hordum den Themenkomplex. Sie erläuterte den Jugendlichen zunächst die Aufgaben des EU-Parlaments und stellte dar, warum sie sich im Bereich europäischer Politik engagiert. Für die Teilnehmer/innen war besonders interessant, dass Hordum fünf Sprachen spricht. Leider konnte ein Teil der Schüler/innen aufgrund eines Elternsprechtages und einer Klassenfahrt nicht an diesem Treffen teilnehmen.

Der Besuch von Serap Güler entfachte bei den Jugendlichen den größten Diskussionsbedarf. Serap Güler kandidierte im Wahlkreis Köln-Mülheim für die CDU, was für einige Teilnehmer/innen nur schwer verständlich war. Daher wurde sie von den Jugendlichen bereits nach kurzer Zeit mit der Frage konfrontiert, warum sie sich gerade in dieser Partei engagiert. Ein weiterer Diskussionspunkt war bei diesem Treffen die Optionspflicht, die viele der Teilnehmer/innen betraf. Die Diskussion zeigte, dass die Jugendlichen im Projektverlauf an Selbstbewusstsein gewonnen hatten und sich trauten, auch kontroverse Themen zu artikulieren.

Das Treffen mit dem Bezirksbürgermeister von Köln-Ehrenfeld, Josef Wirges, ging mit der Besichtigung der Bezirksvertretung einher. Die Jugendlichen wurden im Plenarsaal empfangen und erhielten von Herrn Wirges nach der persönlichen Vorstellung auch einen geschichtlichen Abriss ihres eigenen Wohnviertels. Weiterhin erzählte der Bezirksbürgermeister von seinem über zwanzig Jahre währenden Städteaustausch mit lstanbul, was insbesondere bei den Jugendlichen Aufmerksamkeit erregte, die sich im Vorfeld stark mit den politischen Entwicklungen in der Türkei beschäftigt hatten. Einer Teilnehmerin wurde im Anschluss an das Treffen in Aussicht gestellt, ein Praktikum beim Bezirksbürgermeister zu absolvieren. Diese Teilnehmerin äußerte im Laufe des Projektes den Wunsch, nach ihrem Schulabschluss Politologie zu studieren.

Kommunalwahl und Ausblick

Coach e.V. beteiligte sich während des Projektzeitraumes an der »U 16-Wahl«. Der Verein war als Wahllokal registriert und begleitete eine Gruppe von Schüler/innen zur Wahl. Weiterhin kooperierte Coach e.V. bei Informationsveranstaltungen für Jugendliche und ihre Eltern zu den Wahlen des Integrationsrates mit zwei Interkulturellen Zentren. Das Projekt mündete in die Kölner Kommunal- und Europawahl. Es konnte nicht nur erreicht werden, dass mehr Jugendliche von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten. Durch die Verschränkung des Projekts mit Elternangeboten gingen auch Mütter und Väter teilweise mit zur Wahl.

Eine Weiterfinanzierung der Gruppenarbeit wurde durch Mittel des Kinder und Jugendförderplans NRW ermöglicht. Angedacht waren weitere Besuche, insbesondere von Personen, die sich politisch engagieren, ohne parteipolitisch organisiert zu sein, zum Beispiel in Form von bürgerschaftlichem Engagement.