Wie kam es zur Gründung von Coach e.V.?
In einem Zeitungsartikel habe ich damals gelesen, dass mehr als die Hälfte der hier geborenen türkischstämmigen Jugendlichen in ihrer schulischen Bildung nicht über die Hauptschule hinauskommen und 23% dieser Kinder und Jugendlichen die Hauptschule ohne einen Abschluss verlassen. Eine Tatsache, mit der ich mich nicht abfinden konnte. So habe ich gemeinsam mit einigen Kollegen, u.a. Christian Gollmer und Marlene Brand, 2004 Coach e.V. gegründet.
Christian Gollmer und ich waren damals beide beim Institut für schulische und berufliche Bildung (ISBB) in Ehrenfeld tätig und haben in dieser Zeit eine kleine Beratungsstelle aufgebaut und analysiert, was wir mit den türkischen Jugendlichen und Eltern erreichen können, warum die türkischen Jugendlichen in dem Maßnahmenprogramm am stärksten repräsentiert sind und wo ihre Probleme liegen.
Mit der Zeit haben wir herausgefunden, dass die Ursachen nicht nur in den Sprachproblemen der Jugendlichen liegen, sondern auch in der Erziehung und im Informationsdefizit der Eltern über das schulische Bildungssystem.
Wie wurde die Arbeit von Coache.V. konzipiert?
Wir konnten aus unserer eigenen Erfahrung und dem, was uns wissenschaftliche Studien bestätigten, Konzepte ableiten und diese Konzepte auch direkt umsetzen. Und wir wussten, dass wir viel viel früher bei unserer Arbeit mit den Jugendlichen ansetzen müssen, damit sie die Möglichkeit bekommen, sich direkt auf dem ersten Ausbildungsmarkt oder in weiterführenden Schulen zu qualifizieren. Durch diesen frühen Kontakt haben wir die Chance, Talente zu wecken oder zu erkennen, die in der Schule nicht erkannt oder die durch die Eltern nicht entsprechend gefördert werden (können).
Es ist für mich immer noch etwas ganz Besonderes, wenn ich sehe, dass diese Jugendlichen mit der richtigen Ansprache und der richtigen Begleitung zu ganz anderen Leistungen in der Lage sind – nicht nur schulisch, sondern auch persönlich. Zu sehen, wie sie sich einbringen und Verantwortung für sich und andere übernehmen, ist eine einzigartige Erfahrung.
Was ist der Schlüssel zum Erfolg von Coache.V.?
Die Jugendlichen arbeiten freiwillig mit uns und wir beziehen ihre Eltern von Anfang an mit ein. Unsere Arbeit ist nicht gleichzusetzen mit Hausaufgabenhilfe. Wir leisten darüber hinaus soziale Gruppenarbeit und fahren mit den Jugendlichen auch über ein Wochenende weg. So lernen wir sie ganz umfassend und als eigene Persönlichkeit kennen – nicht in Maßnahmen, nicht in der Schule. Es gibt viel Raum zum Erzählen und Diskutieren.
Durch diesen frühen Kontakt haben wir die Chance, Talente zu wecken oder zu erkennen, die in der Schule nicht erkannt werden. Zu sehen, wie sich die Jugendlichen einbringen und Verantwortung für sich und andere übernehmen, ist eine einzigartige Erfahrung.
Wir geben den Jugendlichen hier einen Raum, in dem sie sich fallen lassen können und sich wohlfühlen. Sie haben Menschen um sich herum, denen sie vertrauen können. Natürlich müssen sich die Noten verbessern, natürlich muss in der Schule etwas passieren. Aber wir sehen das in einem großen Gesamtzusammenhang. Gleichzeitig lassen wir sie ihre Erfahrungen mit Grenzüberschreitungen im geschützten Raum machen, so dass sie spüren, welche Konsequenzen es hat, wenn sie Vereinbarungen nicht einhalten.
Welchen Stellenwert hat die Elternarbeit bei Coach e.V.?
Man muss wissen, dass die meisten Jugendlichen mit Migrationshintergrund alle wichtigen Entscheidungen mit ihren Eltern treffen – sei es der Militärdienst, die Berufsfindung oder der Eintritt in die Ehe. In solchen Situationen kann man Eltern und Kinder stärken und begleiten.
Coach e.V. bietet einen neutralen Raum, in dem wir den Erwartungen von beiden, Kindern und Eltern, gerecht werden können. Dazu haben wir es immer wieder geschafft, die Schule als Partner zu integrieren – das Dreieck aus Elternhaus, Schule und Coach funktioniert sehr gut.
Mittlerweile haben wir unsere Elternarbeit dahingehend aufgebaut, dass Eltern nicht nur als Mütter und Väter, sondern auch als Mann und Frau gestärkt werden und in den Austausch treten. Gerade die Väterarbeit sehe ich hier als sehr bedeutend an. Väter haben in den Familienbeziehungen oft eine Sonderstellung. Von ihnen bekommen wir oft die Rückmeldung, dass unsere Arbeit sie nicht nur in der Beziehung zu ihrem Kind gestärkt hat, sondern auch als Persönlichkeit im Beruf und dass sie an Selbstwertgefühl gewonnen haben, weil sie sich bestätigt fühlen als ein wichtiger Part in der Familienbeziehung.
Wie sieht die Vision für die Zukunft von Coach aus?
Meine Vision ist, dass die Jugendlichen irgendwann in diese Gesellschaft hineinkommen und tatsächlich fähig sind, Aufgaben zu übernehmen, mitzugestalten und dass sie glücklich sind, sich hier wohl und zu Hause fühlen. Diese Kinder und Jugendlichen können dann irgendwann zu Coach kommen und mit uns gemeinsam die Arbeit fortführen.